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Kastrationsaktion Juli 2022 in Rumänien

Geschrieben von Tessa Beck am .

Leslie und ich sind schon seit einiger Zeit bei Hundeliebe grenzenlos e.V. aktiv. Beide haben wir unsere Hunde vom Verein.

Ich bin Flugpatin und betreue die Ankünfte, sowie den Instagramaccount. Leslie hingegen ist schon mehrfach Pflegestelle gewesen und war selbst einige Male vor Ort als Flugpatin.

Zusammen sind wir beide aber auch in einem anderen Verein aktiv –  resQdogs e.V., der sich in Onesti in Rumänien für den Tierschutz einsetzt. Gemeinsam mit 6 weiteren Mitgliedern von resQdogs sind wir im Juli diesen Jahres nach Rumänien geflogen um dort eine dreitägige Kastrationsaktion für Besitzer- bzw. Straßenhunde und Katzen vom 01. – 03. Juli zu begleiten. Wir waren schon einmal im November zusammen dort. Der Verein ist nach seiner Gründung 2021 noch recht klein und so fehlte es noch an einigen Spendengeldern für diese so wichtige Aktion. Als Hundeliebe grenzenlos davon hörte, zögerten sie keine Sekunde und unterstützten uns tatkräftig mit einer großzügigen Spende.

Wenn man sich die Situation in Rumänien genauer anschauen möchte, muss man zunächst die Gegebenheiten vor Ort verstehen.

Rumänien ist ein wunderschönes Land mit sehr netten, offenen und gastfreundlichen Menschen. Straßenhunde gehören hier zum alltäglichen Bild. Ob frei auf der Straße, den Feldern oder tot am Straßenrand.

In Rumänien bedeutet “Hundehaltung” etwas anderes als hier in Deutschland. Viele Menschen dort leben in ärmeren Verhältnissen als wir es tun.

Es sind nicht alle Menschen „böse“ oder „Monster“, nur weil sie anders mit ihren Tieren umgehen als wir das hierzulande gewohnt sind. Schwarze Schafe gibt es natürlich überall – auch in Deutschland. 

In Rumänien sehen die meisten Menschen Hunde als Nutztiere. Sie erfüllen eine Aufgabe und werden für diese angeschafft und gehalten. Viele Hunde leben dort in Zwingern oder an Ketten und fungieren als Wachhunde.

Ihr Job ist es dafür zu sorgen, Eindringlinge und ungebetene Gäste zu melden und diese abzuschrecken. Die meisten dieser Hunde haben Namen und ihre Besitzer können sie streicheln und alles mit ihnen machen. Aber auch eben nur die Besitzer und sonst niemand.

Ein guter Wachhund lässt sich eben nicht einfach von Fremden streicheln, sonst hätte er den falschen Job. Auch gibt es in Rumänien noch viele Bauern die Nutztiere besitzen, welche wir auch aus Deutschland kennen. Kühe, Pferde, Schafe oder Ziegen - diese Tiere werden oft von Herdenschutzhunden begleitet um sie vor Bären, Wölfen und Co. zu schützen. Herdenschutzhunde gehen tagsüber mit der Herde auf die Weiden und kommen nachts, wenn die Herde im Stall steht, in Zwinger oder an die Kette. Wenn die Herde über Nacht auf der Weide bleibt, bleiben es die Hunde auch. Somit haben auch diese Hunde eine Aufgabe, einen Namen und sind mit ihren Besitzern absolut friedlich. Nur eben nicht zu allen Fremden.

Leider werden die Herdenschutzhunde oft nicht kastriert, da ihre Besitzer für Nachwuchs sorgen wollen. Für den Job den sie erledigen sollen, muss man ihnen bereits von klein auf ihre Aufgaben beibringen. Man kann hierfür keinen 3 Jahre alten Herdenschützer aus dem Shelter nehmen, auch wenn das sicherlich einige Bauern gerne machen würden.

Darüber hinaus gibt es noch die einfachen Besitzerhunde, die nachts in den Hof geholt werden und tagsüber auf der Straße, meist nicht weit weg von Zuhause herumstreunen. Sie werden oft für Straßenhunde gehalten. Auch diese Hunde haben eine Aufgabe – sie sind die Alarmanlagen für die Menschen bei Nacht. Diese Hunde gibt es in allen Größen und auch die meisten von ihnen haben sowohl einen Namen als auch einen Ort, an dem sie nachts schlafen und wachen. 

Selbstverständlich gibt es auch die Hunde, die an der Leine Gassi geführt werden und mit im Haus leben. Oftmals sind das Rassehunde und die Zahl der Hunde, die als Haustiere gehalten werden, steigt stetig an.

Auch die richtigen Straßenhunde werden vielerorts durchgefüttert und sind bei den ansässigen Menschen bekannt. Es gibt sogar Firmen, die eine Art Kooperation mit Straßenhunden eingehen. Die Straßenhunde dürfen nachts auf das Firmengelände, dürfen dort schlafen und bekommen Futter und Wasser. Als Gegenleistung halten sie Eindringlinge von den Grundstücken fern. Die Haltung von Hunden in Rumänien ist größtenteils eine ganz andere als bei uns in Deutschland, das ist absolut klar. Dennoch - die wenigsten Menschen in Rumänien schlagen, misshandeln oder lassen ihre Hunde absichtlich sterben. Sie sind da, erfüllen eine Aufgabe und dafür werden sie sehr geschätzt. 

Die Kastrationsaktion fand vor dem Public Shelter in Onesti statt. Dieses städtische Tierheim wird von resQdogs unterstützt. Hier leben 600 Hunde. Mehr dürfen es nicht werden! Andererseits müssten laut rumänischen Gesetz immer wieder Vierbeiner eingeschläfert werden, und das möchte dort niemand.

Alle Menschen, die in diesem Shelter arbeiten, sind unglaublich liebe und besonders zu den Hunden, fürsorgliche Menschen. Sie kennen alle 600 Hunde und jeder hat seine ganz eigenen Lieblinge. Der Job eines Tierpflegers in Rumänien ist unterirdisch bezahlt und trotzdem sind sie von früh morgens bis teilweise zum späten Nachmittag da und geben ihr Bestes für die Hunde.

Für die Kastrationsaktion haben wir extra einen der besten und schnellsten Tierärzte plus Team in Rumänien aus Bukarest gebucht. Er operiert sehr minimal invasiv, dh. die Narben (insbesondere bei den Hündinnen) sind postoperativ sehr klein, was das Infektionsrisiko minimiert.

Jede kastrierte Hündin bekommt einen kleinen grünen Strich auf den Bauch tätowiert, so kann man einfach erkennen ob bereits eine Kastration durchgeführt wurde und kann weitere unnötige Eingriffe verhindern. Die Tierschützer, die das Shelter vor Ort betreuen, hatten vorher ordentlich Werbung für die Aktion gemacht. So kamen insgesamt 199 Hunde und Katzen zusammen, die in den 3 Tagen kastriert werden konnten. Bedenkt man, dass eine Hündin im Schnitt zweimal im Jahr 5 Welpen bekommt haben wir einiges an Leid verhindern können.

Zu unserer Kastrationsaktion kamen ebenfalls viele dankbare, ortsansässige Leute.

Die meisten von ihnen waren besorgt, wenn ihre Tiere nicht gleich munter aus der Narkose aufgewacht sind.

So wurden die kleineren Hunde und Katzen teilweise noch über eine Stunde im Arm gehalten, bis sie vollständig wach waren, das OK des Arztes erhalten haben und schließlich zurück nach Hause durften.

Die Besitzer der größeren Hunde saßen oft neben ihren Hunden auf dem Boden und haben sie gestreichelt, bis sie wieder ganz bei Bewusstsein waren. Einige haben sogar gefragt, ob wir uns um die bereits geborenen Welpen kümmern können, da sie sie nicht auf die Straße setzen möchten.

Eine Kastration kostet 30 € in Rumänien. Viele Menschen verdienen jedoch lediglich unter 300 € im Monat. Sie haben schlichtweg kein Geld ihre Tiere kastrieren zu lassen. Das Geld wird an anderer Stelle dringender benötigt.

Daher freuen sich viele Rumänen, wenn es kostenlose Kastrationsaktionen wie diese gibt und sie endlich keine ungewollten Welpen mehr haben. Sie waren ausgesprochen dankbar, haben uns selbstgebackene Kekse mitgebracht und mit Händen und Füßen ihren Dank ausgedrückt.

Auch bei den Rumänen geschieht ein Umdenken und das ist toll zu sehen. 

Ebenfalls haben wir einige Straßenhunde eingefangen, sie kastriert und dann am ursprünglichen Ort wieder ausgesetzt.

Diese Hunde sind wild, weshalb sie auch nur per Betäubungspfeil eingefangen werden können. Dieses Vorgehen ist für die Hunde wesentlich stressfreier, als sie mit der Schlinge einzufangen. Sie sind auf der Straße geboren und haben absolut keinen Bezug zu Menschen.

Ihnen geht es gut in Freiheit auf der Straße und die Tierschützer vor Ort haben immer ein Auge sie. Sollte sich einer dieser Hunde verletzen, wird im stets geholfen. Dass wir Hunde einfangen und wieder aussetzen durften ist leider nicht üblich, da die Gesetzeslage in Rumänien dies leider verbietet. Wer einen Hund von der Straße holt, sei es für die medizinische Versorgung oder für eine Kastration, muss diesen Hund anschließend in ein Shelter bringen und bekommt dafür Geld. Glücklicherweise hat Onesti einen sehr netten Bürgermeister, der uns für unsere Aktion eine Sondergenehmigung ausgestellt hat. Schließlich ist es auch in seinem Interesse, dass die Zahl der Straßenhunde zurückgeht, was nur durch eine Geburtenkontrolle zu erreichen ist.

Neben all den Tieren, die zum Kastrieren erschienen sind, kamen auch zwei schwerverletzte Hunde. Einer dieser beiden war ein mittelgroßer wunderschöner Mischlingsrüde, den wir Bubi getauft haben. Bubi wurde frühmorgens vor dem Shelter ausgesetzt. Vermutlich wurde er von einem Auto angefahren, woraufhin sich die Menschen nicht anders zu helfen wussten, als ihn vor dem Shelter abzuladen. Genau dort leben ebenfalls andere Straßenhunde, die dort ihr Revier haben. Wir vermuten, dass sie Bubi als Eindringling gesehen und attackiert haben. Neben einem gebrochenen Vorderbein hatte er etliche tiefe große Fleischwunden. Bubis Bein war leider nicht mehr zu retten und so entschied sich der Tierarzt zu einer Amputation. Die Bisswunden wurden ebenfalls versorgt und Bubi bekam einen Trichter aufgesetzt, damit er sich seine frischen Wunden  nicht erneut aufleckt.

Bereits am nächsten Tag hüpfte Bubi fröhlich auf seinen drei Beinchen vor dem Shelter auf und ab, freute sich über jeden Menschen der ihm seine Aufmerksamkeit schenkte und ist einfach ein absoluter Sonnenschein!

Bubi ist am 23.07 bei seiner Pflegestelle in Deutschland eingezogen und hat bereits sein Zuhause für immer gefunden.

Der zweite verletzte Hund war ein bildschöner junger Malinois Rüde.

Er wurde an der Kette gehalten und hat sich vor lauter Unterforderung selbst die Rute abgebissen. Diese war leider nicht mehr zu retten und wurde ebenfalls amputiert.

Wir haben ihn Radu getauft, nach dem Tierarzt der die Kastrationsaktion begleitet hat. Radu durfte in Rumänien bei Vagabonzi Acasa, dem Shelter von Lucky Paws go Home, auf seine Ausreise warten.

Lucky Paws go Home ist das verlässliche Transportunternehmen, das während des Corona-Lockdowns die Schützlinge von Hundeliebe grenzenlos sicher vom Flughafen in Holland, Belgien und Köln abgeholt und zu ihren neuen Familien gebracht hat.

Auch Radu ist am 23.07 in Deutschland angekommen und wartet nun dort auf sein Zuhause.

Seine Seite -klick hier-

Und eine letzte schöne Geschichte gibt es noch zu erzählen. Die Geschichte von Ama.

Am ersten Tag der Aktion fiel den Tierschützern eine Hündin vor dem Shelter auf, die sie noch nie zuvor dort gesehen hatten. Sie hatte ganz offensichtlich Welpen am hinteren Ende des Platzes vor dem Shelter. Wir warteten bis sich die Hündin entfernte und schauten nach.

Zu unserer Überraschung haben wir 7 Welpen gefunden, die gerade mal 4 Wochen alt waren. Wir vermuten, dass sie ebenfalls mit ihren Welpen dort ausgesetzt wurde. Die Mutter war sehr scheu und so überlegten wir, gemeinsam mit dem Tierarzt und den Tierschützern, über das weitere Vorgehen und beschlossen schließlich, sie zu betäuben, einzufangen und ebenfalls zu kastrieren.

Der Tierarzt musste uns mehrfach versichern, dass weder ein Risiko für die Mutter, noch für die Welpen bestehe. Der Plan bestand darin, alle zusammen in einem privaten Shelter unterzubringen, bis die Welpen eigenständig überlebensfähig waren und sie im Anschluss, gemeinsam mit der Mutter, wieder auszusetzen. Sie hat sich so scheu und wild gezeigt, dass es uns das Herz gebrochen hätte, würde sie unvermittelbar den Rest ihres Lebens hinter Gittern verbringen.

Während Ama also kastriert wurde, haben wir ihre Welpen mit Welpenmilch versorgt. Nachdem alle wieder wach und wohlauf waren, zogen sie in den privaten Shelter um, wo sich, mit ganz viel Geduld der Tierschützerin zeigte, dass Ama eine unsichere, aber liebe Hündin ist. Sobald ihre Welpen sie nicht mehr brauchen, zieht Ama zu Leslie in Pflege und wartet dann auf ihr Zuhause. Ihre Welpen suchen, sobald sie bereit für die Ausreise sind, ebenso ein Zuhause!


Es waren drei anstrengende, spannende und wunderschöne Tage in Onesti.

Es ist toll zu sehen, wie vielen Tieren vor Ort geholfen werden konnte, wie glücklich die Menschen sind, für die wir die Kastration bezahlt haben und dass sich durch eben solche Aktionen die Situation vor Ort langsam aber stetig verbessert.

Tessa Beck

Gemeinsam lässt sich im Tierschutz so viel erreichen!