Interview mit Julia vom Robert’s Dog Sanctuary – Oktober 2025
Im Süden Zyperns gibt es einen Zufluchtsort für streunende Hunde, der gleichzeitig Krankenstation und Vermittlungsstelle ist, das Robert’s Dog Sanctuary.
Dort kämpft die gebürtige Ukrainerin Julia seit fast zehn Jahren und trotz vieler bürokratischer Hürden und finanzieller Sorgen für den Schutz der vierbeinigen Bewohner.
Im Gespräch erzählt sie von ihrem Weg dorthin, über wirksamen Tierschutz in Zypern, aber auch über Verantwortung und Hoffnung und welche Träume sie für die Zukunft
hat.
Gekommen um zu bleiben
Frage: Julia, erinnerst du dich an den Moment, in dem du das erste Mal mit Tierschutz in Berührung kamst? Gab es ein besonderes Erlebnis?
Julia: Schon als Kind war ich von Tieren umgeben. Unser erster Hund kam zu uns, als ich etwa fünf Jahre alt war, ein Deutscher Schäferhund, damals noch in der Ukraine. Später hatten wir einen kleinen Pudel und schließlich eine Dogge, die sogar Welpen bekam. Das war Ende der Achtziger oder Anfang der Neunzigerjahre.
Einige Jahre später kam ich als Touristin nach Zypern, wie so viele andere. Mir gefiel die Insel sehr, und irgendwann landete ich im Tierheim von Parekklisia, das war 2015. Das Heim musste damals umziehen, und ich fühlte mich irgendwie verantwortlich, zu helfen. Gemeinsam mit einer Freundin suchten wir anderthalb Jahre nach einem neuen Ort, bis wir schließlich in Kantou fündig wurden. Dort zogen wir mit 134 Hunden ein.
Vom Umzug zum Neuanfang
Das Tierheim wurde damals von Robert geleitet, einem Mann aus Osteuropa, der zuvor das Heim in Parekklisia organisiert hatte.
Nach einiger Zeit trennten sich unsere Wege. Robert begann, auf dem Gelände Fische zu züchten, ganze Aquarienlandschaften aufzubauen. Das passte einfach nicht zu einem Hundeschutzprojekt. Schließlich wurde er gebeten, das Gelände zu verlassen, und ich übernahm die Verantwortung.
Anfangs half mir eine Freiwillige, doch bald war ich auf mich allein gestellt. Eine Engländerin versuchte noch kurz, das Tierheim zu führen, doch nachdem ihr Mann von einem Hund gebissen wurde und er in die Klinik nach Nikosia musste, gab sie nach wenigen Wochen auf und bat mich, zurückzukehren. Seitdem bin ich hier, das war ungefähr 2018.
Heute und damals
Frage: Wie viele Hunde leben heute bei euch?
Julia: Zurzeit sind es rund 45. Als wir hierherzogen, waren es 134. Seither versuchen wir, konsequent zu vermitteln. Ein Tierheim sollte nie zu viele Hunde haben – sonst bleibt keine Zeit für das Wesentliche: die Tiere gesund zu pflegen, zu sozialisieren und für sie ein Zuhause zu finden.
Ideal sind höchstens 50 Hunde. Nur so kann man wirklich arbeiten, Fotos und Videos machen, mit Organisationen in Deutschland oder England kommunizieren und passende Familien finden. Das alles ist unglaublich zeitaufwendig. Unser Ziel ist fünf bis sechs Vermittlungen pro Monat, also etwa 60 Hunde im Jahr. Das ist realistisch.
Kosten und Verantwortung
Frage: Was sind eure monatlichen Ausgaben?
Julia: Die größten Kosten entstehen durch die tierärztliche Versorgung – Medikamente, Behandlungen, Sterilisationen – alles ist teurer geworden. Zum Beispiel hat eine Zahnreinigung früher 60 € gekostet; jetzt sind es bis zu 100 €. Insgesamt betragen unsere Tierarztrechnungen etwa 2.000 € pro Monat.
Auch Futter ist teuer, und je nachdem, wie viele Welpen wir haben.
Wir müssen zusätzlich Wasser- und Stromkosten bezahlen. Insgesamt liegen unsere monatlichen Ausgaben bei rund 5.000 €.
Die größte Herausforderung: Jagdhunde
Frage: Woher kommen die meisten Hunde, die bei euch landen?
Julia: Hauptsächlich von Jägern, das ist das größte Problem in Zypern. Sie jagen hier kleine Vögel, manchmal scherze ich, sie jagen Kakerlaken, weil es kaum Wildtiere gibt. Für viele ist die Jagd nur ein Spiel, aber die Leidtragenden sind die Hunde.
Sie leben oft in winzigen Käfigen, ohne Wasser, in schmutzigen Verhältnissen. Nur wenige Jäger kümmern sich wirklich. Wenn ein Hund krank wird, etwa an Leishmaniose, wird er einfach ausgesetzt. Dabei könnte man ihn mit günstigen Tabletten behandeln. Stattdessen landet er auf der Straße oder im Wald, und wir müssen ihn retten.
Fast täglich bekomme ich Anrufe von Menschen, die Hunde gefunden haben. Aber wir können nicht alle aufnehmen, das wäre unmöglich. Deshalb versuchen wir, Menschen zu motivieren, selbst zu helfen, vielleicht mit unserer Unterstützung. Nur wer wirklich bereit ist, Verantwortung zu übernehmen, kann auf unsere Hilfe zählen.
Krankheiten, Sterilisation und das Leid der Straßenhunde
Ein großes Problem in Zypern ist Parvovirose, besonders bei Welpen. Wir versuchen deshalb, so viele Hunde wie möglich zu kastrieren, auch auf Bauernhöfen, damit wir langfristig die Zahl der Welpen verringern können. Wenn die Besitzer einverstanden sind, übernehmen wir die Kosten, um weiteres Leid zu verhindern.
Doch vor jeder Operation müssen Bluttests gemacht werden: Hunde mit Leishmaniose oder Ehrlichiose können oft nicht sterilisiert werden, weil ihr Blut zu dünn ist und sie während der OP verbluten könnten. Viele Tiere sind krank, manche zu schwer.
Finanzierung und Unterstützung
Frage: Woher kommt das Geld für all diese Behandlungen?
Julia: Hauptsächlich aus Spenden. Wir haben einige treue Sponsoren und Partnerorganisationen wie Hundeliebe-grenzenlos, die uns regelmäßig unterstützen. Wenn Notfälle anstehen, posten wir Aufrufe auf Facebook.
Zum Beispiel hat unsere Hündin Nicole eine Beinoperation nötig, die 850 Euro kostet. Wir bitten und hoffen dann auf viele kleinere Beträge – zwei, drei, zehn Euro.
Außerdem haben wir vor einigen Monaten einen Secondhand-Shop eröffnet. Dort verkaufen wir Kleidung und andere Dinge, die uns gespendet werden, das bringt zusätzliches Einkommen, für das wir sehr dankbar sind.
Menschen und Alltag im Tierheim
Zum Team des Robert’s Sanctuary gehören etwa fünf feste Freiwillige, dazu kommen einige Helferinnen, die im Laden arbeiten oder gelegentlich im Tierheim aushelfen.
Julia: Ein normaler Tag beginnt gegen acht Uhr morgens mit Füttern, Putzen und Medikamentengabe. Kranke oder ängstliche Hunde brauchen besonders viel Zeit. Danach fahren wir oft zum Tierarzt, hin und zurück dauert eine Fahrt mit Aufenthalt vor Ort mehrere Stunden.
Am Nachmittag füttern wir erneut, reinigen die Gehege und kümmern uns um Besucher. Abends gegen sechs oder sieben wird es ruhig. An Wochenenden sieht es anders aus, da kommen viele Menschen, manche wollen helfen, andere adoptieren. Es gibt sogar Leute, die Yoga mit Welpen machen möchten! (lacht) Wir haben den Platz dafür, warum nicht?
Frage: Gibt es eine Notfallstrategie, falls das Geld einmal knapp wird?
Julia: Wir versuchen, gar nicht erst in diese Situation zu kommen. Wenn keine Mittel da sind, nehmen wir keine neuen Hunde auf und verschieben Tierarzttermine. Jeder Hund kann uns bis zu 1.000 Euro kosten, denn man weiß nie, was er mitbringt
Der Traum für die Zukunft: ein Gesetz für Kastration
Frage: Wie siehst du die Entwicklung des Tierschutzes in Zypern?
Julia: Es wird langsam besser, besonders bei der jungen Generation. Früher galten Hunde hier nur als Wachhunde oder Jagdtiere. Heute sehen viele junge Menschen sie als Familienmitglieder. Aber alte Denkmuster sitzen tief, vor allem auf dem Land. Das braucht Zeit.
Frage: Was wünschst du dir für die Zukunft?
Julia: Mein größter Wunsch ist, dass alle Hunde und Katzen in Zypern kastriert werden, verpflichtend per Gesetz. So könnte man das Leid langfristig beenden. Man könnte zum Beispiel eine Regelung schaffen: wer sein Tier kastriert, zahlt nur 20 Euro Steuern, wer es nicht tut, zahlt 1.000. Das würde funktionieren.
Aber dafür braucht es eine funktionierende Kontrolle, ein Mikrochip-Register und Verantwortliche in den Behörden. Momentan gibt es das alles nicht. Dabei könnte der Staat mit Strafen sogar Geld einnehmen und gleichzeitig Tierleid verhindern.
Hoffnung auf ein neues Zuhause auch für das Tierheim
Wir planen bereits den Umzug auf ein neues Gelände. Drei Jahre lang habe ich nach einem geeigneten Platz gesucht, mit Strom, einer Zufahrtsstraße und ohne Nachbarn, die sich gestört fühlen. Jetzt haben wir endlich Land gefunden: 7.000 Quadratmeter groß.
Es dürfen zwar nur sechs Prozent davon bebaut werden, also rund 400 Quadratmeter, aber das reicht. Wir möchten dort Gehege, einen Trainingsplatz, einen medizinischen Bereich, Lagerräume und einen schattigen Begegnungsort für Besucher schaffen.
Noch fehlen allerdings das Geld und die Genehmigung, aber das Wichtigste haben wir: die Hoffnung. Wenn alles gut läuft, könnten wir in zwei Jahren dort einziehen.
„Wir brauchen Menschen, die mit Herz und Verstand helfen“
Julia: Was wir am meisten brauchen, sind verlässliche Menschen, Freiwillige, die fotografieren, Formulare ausfüllen, mithelfen. Viele denken, sie könnten einfach Hunde ausführen und das war’s. Aber so funktioniert ein Tierheim nicht. Es braucht Ruhe, Struktur und Verständnis für Hundepsychologie.
Wir haben Glück, dass wir inzwischen eine Trainerin haben, die regelmäßig kommt und mit den Hunden arbeitet, Leinenführigkeit, Grundkommandos, Sozialisierung. Sie hilft uns sehr.
Unser Traum wäre, dass irgendwann auch Trainerinnen oder Helfer aus dem Ausland, vielleicht aus Deutschland, für einige Wochen kommen und hier leben, um zu unterstützen. Das wäre ein riesiger Gewinn für uns und für die Hunde.
Frage: Julia, gibt es noch etwas, das du dir wünschst?
Julia: Ja, einen Bus. (lacht) Ein kleiner Transporter, mit dem wir mehrere Hunde gleichzeitig zum Tierarzt bringen können. Das würde uns Zeit, Benzin und Nerven sparen. Und natürlich: Strom und Licht in jedem Gehege. Das klingt banal, ist aber ein großer Traum.
Und natürlich wünsche ich mir, dass wir bald in unser neues Zuhause umziehen können, an einen ruhigen, sicheren Ort, an dem wir noch mehr Hunden helfen können.
Spendenkonto:
Nord-Ostsee Sparkasse
Robert`s Dog Sanctuary
IBAN: DE37 2175 0000 0186 0451 67
BIC : NOLADE21NOS
Wenn Sie uns helfen möchten, die Arbeit von Julia zu unterstützen, freuen wir uns über eine Spende.
Wir könnten ihr damit z. B. helfen, ihren Traum von einem Transporter zu verwirklichen.
